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Bild: Franz Ulrich
Geschichte der Stadt Ahrweiler

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Anmerkungen über
das städtische Finanzwesen im alten Ahrweiler

Der Vortrag wurde bei der Buchvorstellung des Heimatvereins anlässlich der Präsentation des
9. Bandes der Quellen zur Geschichte
der Stadt Ahrweiler am 24.10.2017
vom Autor Hans-Georg Klein
in der ehemaligen Synagoge Ahrweiler gehalten.

 

 

„In einem schlechteren Zustand als zu Ahrweiler, mag wohl an keinem anderen Orte des Erzstifts das Rechnungswesen seyn…“ Dieses Thema meines heutigen Vortrages mutet seltsam an und ist es auch.

Das vernichtende Urteil über den damaligen Stand des städtischen Finanzwesens stammt vom Bonner Hofrat und erging im Februar 1792. Der berichtende Referent fährt fort: „und ich bin nicht imstande, aus den vorhandenen Rechnungen einen richtigen Zustand des Empfangs und der Ausgaben herauszubringen.“

Ich wage es trotzdem, einen kleinen roten Faden aufzuzeigen, denn der Inhalt des vorliegenden Buches befasst sich mit eben dieser zerrütteten Finanzenbuchhaltung der alten Stadt Ahrweiler. Um es vorweg zu sagen, die Finanzen der Stadt waren nicht in dem Sinne zerrüttet, dass sie defizitär gewesen wären. Nach allem, was wir wissen, waren die Haushalte am Ende des 18. Jahrhunderts ausgeglichen, dafür aber in einer umso größeren Unordnung.

Bevor ich aber zu den eigentlichen Finanzen der Stadt Ahrweiler komme, müssen wir einen Blick auf die gesamte politische Lage werfen. Dass es 1789 zur französischen Revolution kam, wissen wir noch aus dem Geschichtsunterricht. Aber wie war die Lage in Ahrweiler, von Paris aus gesehen weit hinter den sieben Bergen?

Etwa um 1780 schon kann man in Ahrweiler den Verfall der bisherigen städtischen Ordnung erkennen. Es trat nun schleichend ein Verfall der städtischen Autoritäten ein. Dabei ging die Initiative in erster Linie von den Meistbeerbten aus wie etwa dem Tuchfabrikanten Johann Greßenich oder den Söhnen der Witwe Kriechel Hermann Joseph, Peter und Peter Joseph Kriechel. Der erstgenannte Kriechel, Hermann Joseph, wurde später in der Franzosenzeit Bürgermeister, musste aber bald sein Amt wieder abgeben. Das zeigt uns, dass es einfacher ist einen Bürgermeister zu kritisieren, als das Amt besser zu verwalten als der Kritisierte.

1794 forderte Greßenich gegenüber den Rat Gleichheit und wurde auch verbal immer ausfallender. Er beschimpfte und beleidigte die Ratsmitglieder, alles ohne Folgen. Im November 1794 eskalierte der Streit zwischen dem Rat und der Bürgerschaft. Auf dem Marktplatz kam es zu verbalen und tätlichen Auseinandersetzungen zwischen Mitgliedern des Rates einerseits und Johann Greßenich und den Gebrüdern Kriechel andererseits.

Soweit der politische Hintergrund zu unserer Finanzgeschichte.

Was war das überhaupt, das städtische Finanzwesen? Ich möchte Ihnen das am Beispiel der Lehrerbesoldung verdeutlichen. Der Lehrer war städtischer Beamter und wurde von der Stadt besoldet. Wie verworren das Finanzgebaren der Stadt gewesen ist, zeigt uns dieses Beispiel: der Lehrer erhielt aus der Baumeisterkasse 26 gld pro Jahr, dazu vier Wagen Brennholz. (Zum Vergleich: Der Stadtbote erhielt 85 gld jährlich). Aber: Aus der Stiftung des verstorbenen Bürgermeisters Boßart wurden dem Schulmeister noch einmal 8 gld 16 alb zugelegt. Die Gilde schoss auch 26 gld zum Lehregehalt zu. Ferner bezahlte der Kirchenmeister dem Magister 33 gld 23 alb. Um das Ganze abzurunden, sei erwähnt, dass das Hospital dem Lehrer 13 gld jährlich zukommen ließ, dazu noch ein Deputat von einem Malter Korn jährlich. Das waren in der Summe 107 gld 15 alb. Wenn ich die Naturalentlohnung einrechnet, komme ich auf ein Jahresgehalt 116 gld 3 alb, wohlgemerkt ausgezahlt aus fünf städtischen Kassen, die parallel geführt wurden. Dabei ist zu vermerken, dass auch die Kirchenkasse von einem städtischen Beamten, dem Kirchenmeister verwaltet und vom Rat kontrolliert wurde.

Also, bleiben wir bei den Hauptkassen, um das Ganze nicht zu sehr in Verwirrung zu bringen. Zunächst gab es nur die Kasse des Schatzbürgermeisters (bis 1637). Der Schatzbürgermeister wurde ab diesem Jahr Baumeister genannt, manchmal auch Simpelheber, weil er neben der Verwaltung der städtischen Kämmerei, den Simpel, das war die landesherrliche Steuer, einzuziehen hatte. Da der Simpel ein durchlaufender Posten war, soll er hier nicht weiter beachtet werden. Neben dem Simpelsheber gab es parallel dazu noch die Schatzheber, das waren die Hutenmeister, die hutenweise den Schatz, das ist die städtische Grundsteuer gewesen, zu erheben hatten. Diese Schatzheber mussten dann aus ihren Einnahmen jährlich die enormen Zinsbelastungen abtragen, die durch die großen Schulden entstanden waren. Die Schulden wiederum ergaben sich aus den Brandschatz- und Kontributionskosten des Dreißigjährigen Krieges. Etwa in der Mitte des 18. Jahrhunderts waren die meisten dieser Schulden abgetragen und die Schatzeinnahmen standen zur freien Verfügung.

So taucht dann im Jahre 1752 zum ersten Male der Begriff „Stadtsack“ auf, der von dem Schöffen Muttone verwaltet wurde. Ab 1763 bis zum Ende des Alten Reiches übernahm der Schöffe Hubert Fechemer dieses Amt.

Der Stadtsack speiste sich in erster Linie aus den Überschüssen der Schatzgeldeinnahmen und der Überschüsse der Baumeisterkasse, die jährlich abgerechnet, aber nicht bezahlt, wurden (Rechnungsjahr 1. Mai—30. April des nachfolgenden Jahres). Neben diesen genannten Einnahmen wurden auch das Bürgergeld, das Holzgeld, das Schulgeld und Sonstiges fortan im Stadtsack auf der Einnahmeseite verbucht. Grafik 1.

 

 

Während die Baumeisterkasse jährlich vom Rat abgehört wurde, fanden die Revisionen des Stadtsacks nun unregelmäßig statt. In der Ausnahmeseite unterscheidet sich der Stadtsack kaum von den Ausgaben der Baumeisterkasse. Einziger Ausnahmepunkt waren die Zinszahlung. Hier sind die 700 rtlr Zinsen aus dem von Sierstorffischen Kapital zu erwähnen.

Wichtig ist auch, dass es eigentlich nie zu einem Kassensturz kam, bei dem die Kasse des abtretenden Baumeisters oder Hutenmeisters in die Kasse des neu Gewählten überführt wurde. Ein Extrembeispiel sei hier angeführt: 1785/86 verwaltete der Baumeister Johann Georg Monreal die Baumeisterkasse und rückte die überschüssigen Gelder nicht heraus — auch weil jahrelang immer noch Nachforderungen an ihn gestellt wurden. So fand u.a. am 2. Juni 1797 vor dem Vergleichsbüro der Kantonsverwaltung zu Altenahr ein Prozess um die noch ausstehenden Gelder statt. Erst im Jahre 1816 (also 30 Jahre nach Rechnungsabschluss) kamen die Auseinandersetzungen zu Ende. Das war beileibe kein Einzelfall. Eine sich über Jahre erstreckende Nachbesserung war die Regel. Oft mussten noch die Erben für die Forderungen von Seiten der Stadt geradestehen.

Die Einnahmen der Baumeisterkasse geben uns einen guten Einblick in die wirtschaftlichen Verhältnisse der kleinen Stadt Ahrweiler, weil eine der Haupteinnahmequelle die Akzisen, also eine Art Umsatzsteuer gewesen sind. Diese Akzisen waren besonders an den Markttagen, also an den vier Jahrmärkten, später kam noch ein Viehmarkt hinzu, und an den jeweils zwei Wochenmarkttagen fällig. Die Auswertung dieser Akziseeinnahmen ergibt ein völlig neues Bild der Wirtschaftskraft Ahrweiler. War man bislang davon ausgegangen, dass die Wein— und Bierakzise die größte Einnahmequelle gewesen ist, muss dieses Bild revidiert werden. Grafik 2.

 

 

Es ergibt sich nun folgende Rangfolge:

1. Kräuterei—, Krämerei— und Leinentuchakzise

2. Gewand— und Wolltuchakzise

3. Wein— und Bierakzise

4. Fleischakzise

5. Lederakzise

6. Schmiede— und Steinkohlenakzise

7. Fruchtakzise

8. Holzakzise

Zur Weinakzise muss noch erklärte werden, dass die nach auswärts exportierten Weine natürlich nicht der hiesigen Akziseberechnung unterlagen, sondern an dem Ort versteuert wurden, wo sie auch verzehrt wurden.

Wenn wir die Einnahmen des Baumeisterbuches und des Stadtsacks vergleichen, ist das Bild ziemlich eindeutig, die Baumeistereinnahmen überwiegen eindeutig, Grafik 3.

 

 

sie sind also die Bedeutenden gewesen.
 

Ich möchte noch einmal einen Blick auf die Politik des Stadt werfen und an meine Einführung anknüpfen. Revolution in Ahrweiler? Nein, für die Blutrünstigen unter meinen Zuhörern, es gab keine abgeschlagenen Köpfe und auch kein Schafott, aber bedeutende Umwälzungen.

Alles begann, als die jüngeren Ratsmitglieder 1785 gegen die Missstände der städtischen Verwaltung protestierten. Am 1. Mai 1790 wählte der Rat den Gerber Heinrich Krupp zum neuen Baumeister. Dieser weigerte sich das Amt anzunehmen. Es kam zu einem Prozess vor dem Bonner Hofrat. Parallel dazu nahmen die Bürger die Bestellung der Schatzheber und des Baumeisters in eigene Hand. Nach vielem Hin und Her und vielen Zwischenlösungen wurden der Ratsverwandte Anton Maria Muttone zum Empfänger der Simpel, Schöffe Hubert Fechemer zum Empfänger des Stadtsacks und Tilman Wolff zum Empfänger des Schatzes bestimmt. Die Amtszeit von einem Jahr wurde aufgehoben. Die Steuerempfänger wurden mit 4% ihrer Einnahmen und Ausgaben entlohnt. Damit hatte sich die Bürgerschaft gegenüber dem Magistrat durchgesetzt.

Zum Abschluss noch eine Bemerkung zu den Quellen. Die Baumeisterrechnungen sind stets von einer Hand geschrieben und daher leicht zu lesen. (Grafik 4, Handschrift von Hubert Fechemer)

 

 

 

Dagegen sind die Stadtsackrechnungen von mehreren Händen geschrieben, manchmal sogar an einem Tag von vier und mehr Händen. (Grafik 5)

 

 

Das lässt nur den Schluss zu, das die Baumeisterrechnungen von den Stadtschreibern nach Vorlage einer Kladde am Ende des Rechnungsjahres geschrieben wurden, während die Buchführung des Stadtsacks wenigstens auf ihrer Ausgabenseite sofort bei der Ausgabe von verschiedenen Ratsmitgliedern nach Beschlussfassung eingetragen.

 

Zum Ende noch ein kleines Apercu.

 

Der vom Hofrat bestimmte Referent, der das Finanzgebaren der Stadt Ahrweiler untersuchen sollte, schrieb in seinem Abschlussbericht u.a.:

 

„Die wircklich genannten (Posten) aber bestehen größtentheils in demjenigen, was zu städtischen Traktamenten, so auf dem Rathhauß gehalten worden, an Fleisch und Weißbrodt ist angeschafft worden: und man kann im Durchschnitt wohl annehmen, daß eine Hälfte aller Ausgaben dieser Rubrick gehöret.“

 

Zu Deutsch:

Die Hälfte des städtischen Haushaltes wurde vom Rat verfressen und versoffen.

 

Hoch lebe die gute alte Zeit!

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Stand: 26.10.17

 

Design: Reiner Bauer