Jeder Besucher
von Ahrweiler wird bis heute beeindruckt sein von der das Stadtbild
prägenden katholischen
Pfarrkirche St. Laurentius. Seit der Mitte des 13.
Jahrhunderts hat dieser gotische Bau Menschen an die Geschichte
der Stadt
und ihrer Kirche erinnert. So tut es bis heute im Stadtteil Bad Neuenahr
auch die evangelische Martin-Luther-Kirche an der Kurgartenbrücke als ein
Zeugnis preußischer Vergangenheit und enger Verbindung von Thron und Altar
im ausgehenden 19. Jahrhundert.
Wie aber kommt
es, dass in Ahrweiler die evangelische Kirche von Besuchern der Stadt nicht
wahrgenommen wird? Warum steht dieses kleine Gebäude unscheinbar
in einer
Reihe mit Einfamilienhäusern in der Burgunderstraße? Ist
auch sie ein
Zeugnis einer bestimmten Epoche?
Die evangelische Friedenskirche
Ahrweiler
In der Tat wird
von der evangelischen Kirche in Ahrweiler nur im Zusammenhang mit dem Ende
des 2. Weltkrieges gesprochen werden können.
Seit dem Bau der
Martin-Luther-Kirche 1872 in Bad
Neuenahr
war
für die evangelische Gemeinde
die Entscheidung gefallen, dass im Hinblick auf die zahlreichen
evangelischen Kurgäste das Schwergewicht der Gemeindearbeit
nicht in
Ahrweiler, sondern in Bad Neuenahr liegen sollte.
So werden das
Pfarrhaus, die evangelische Schule, das Walburgisstift, das Gemeindehaus in
Neuenahr gebaut. Erst nach 1945 kommt es allmählich zur
Ansiedlung
heimatvertriebener Familien aus den deutschen Ostprovinzen. Es war für viele
dieser Familien, die evangelischen
Glaubens waren, besonders schwer, als
»Flüchtlinge« in eine rein katholische Gegend zu kommen. Sprachliche und
kulturelle Verschiedenheiten wirkten sich trennend genug aus.
Aber auch die
andere Konfession ließ jeden Sonntag aufs Neue an die verlorene Heimat
denken. Wo können wir unsere Gottesdienste halten? Dieser Frage musste das
Presbyterium
der großen
Diasporagemeinde Bad Neuenahr mit ihrem Pfarrer
Oskar Börner nachgehen. In Vettelhoven im
Schnellerschen Kinderheim,
und in
Ahrweiler in der damaligen Berufsschule im »Haus Schütz" traf man sich seit
1948 in regelmäßigen Abständen. Die seit der Preußenzeit bestehende
Einheitlichkeit der Evangelischen in der Altpreußischen Union wirkte sich
jetzt als hilfreich aus, weil es in der Liturgie der Gottesdienste keine
Unterschiede zwischen Rheinland, Ostpreußen oder Schlesien gab.
Im Innern der Kirche, rechts vom
Altarkreuz, erläutert eine Bronzetafel von Friede Classen
seit April 1989 den Namen
"Friedenskirche"
Die
Währungsreform
kam
1948, der Wiederaufbau setzte voll ein, immer noch kamen
neue Familien in die französisch besetzte Zone und danach in
das neu
errichtete Bundesland Rheinland-Pfalz. Wohnungsnot herrschte überall. Auch
in der evangelischen Gemeinde wuchs die Erkenntnis, dass in der Kreisstadt
Ahrweiler eine Dauerlösung für den ständig wachsenden evangelischen
Bevölkerungsanteil gefunden werden müsse.
Die
Presbyteriumsprotokolle spiegeln etwas von dieser Fragestellung wider. So
heißt es dort Anfang 1951: »Pfarrer Börner stellt die Frage des
Synagogenkaufs (in der Altenbaustraße) zur Diskussion. Presbyterin Bernhardt
berichtet über die Erfahrungen und Beurteilungen aus der Gemeinde. Es wird
beantragt, von dem Ankauf der Synagoge abzusehen." Mit diesem Beschluss
wurde in zwei Richtungen eine Entscheidung getroffen, nämlich sich für einen
eigenen Kirchneubau zu entschließen und sich mit dem durch die Zeit des
Nationalsozialismus so belasteten Gebäude der Ahrweiler Synagoge nicht
weiter zu beschäftigen.
Bereits wenige
Wochen später schreibt das Presbyterium an den Ahrweiler Bürgermeister,
»dass mit dem Bau eines evangelischen gottesdienstähnlichen Raumes unter
Umständen zu rechnen ist.« (Beschluss vom 23. 4. 1951)
Bereits vorher hatte die evangelische Gemeinde im damaligen Neubaugebiet in
der Burgunderstraße in Ahrweiler ein Grundstück erworben. Sehr konkret geht
man auf Betreiben der Ahrweiler Presbyterin Frau Bernhardt daran, eine
Kirche zu planen. Der aus Neuwied stammende evangelische Architekt
Schönhagen wird beauftragt, »einen Vorentwurf zur Begutachtung vorzulegen.«
Kurze Zeit später
bereits werden die Bauzeichnungen zur Kirchenleitung nach Düsseldorf
geschickt. Gleichzeitig werden alle Gemeindeglieder zu Spenden für den
Kirchneubau aufgerufen, zur Finanzierung Kirchenkreis und Landeskirche um
Mithilfe gebeten und ebenso auch das Land.
Wenn wir heute
dem Protokollbuch entnehmen, dass der Rohbau der Kirche 19 617,28 DM
gekostet hat, ja, die Gesamtfinanzierung 100000.- DM nicht überschritt, so
erkennen wir, in welch bescheidenem Rahmen der Architekt seine gestellte
Aufgabe nur ausführen konnte. Er entschied sich für einen traditionellen
Kirchenbau, den er nicht unterkellerte. Dem zugeordnet wurde ein
Gemeinderaum, der durch eine Faltwand mit dem Kirchenraum verbunden werden
konnte. Über diesen Gemeinderaum konzipierte er eine sehr bescheidene
Küsterwohnung. Ein Dachreiter mit der Möglichkeit, zwei Glocken aufnehmen zu
können, musste an Stelle eines Kirchturms ausreichen. Auch in der Wahl der
Materialien war Sparsamkeit oberstes Gebot: Pressspanplatten für die Decke
der Kirche, im übrigen einfaches Holz für Fußboden, Bänke, Empore, Altar,
Kanzel, Taufschalenständer und Kreuz und Balken. Das gesamte Bauholz - so
erwähnt es das Protokoll - war eine Stiftung der Stadt Ahrweiler.
Die
Grundsteinlegung fand am Sonntag, dem 14. September 1952, um 14.30 Uhr
statt. Dabei hatte die von Fräulein Pliester - der Tochter des ersten
Pfarrers der Gemeinde - künstlerisch gestaltete Urkunde folgenden Wortlaut:
»Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen. Heute
haben wir am 14. 9. 1952 feierlich den Grundstein gelegt für die
evangelische Kirche in Ahrweiler. Es ist unser herzlicher Wunsch und unser
Gebet zu Gott, daß diese Kirche ebenso für die alteingesessene Gemeinde wie
für die aus ihrer Heimat vertriebenen Brüder und Schwestern eine rechte
geistliche Heimat werde. Wir legen diesen Grundstein in der Gewissheit:
Einen anderen Grund kann niemand legen, außer dem, der gelegt ist, welcher
ist Jesus Christus.«
Bereits ein Jahr
später war der Kirchbau fertig:
»Presbyterium
beschließt einstimmig, die neue Kirche in Ahrweiler, die am 11. 10. 1953
eingeweiht werden soll, »Friedenskirche« zu benennen. Das Programm wird wie
folgt festgelegt:
14.30 Uhr
Festgottesdienst, 16 Uhr Festakt in der Aula des Ahrweiler Gymnasiums,
anschließend Bewirtung der Ehrengäste im Bahnhofshotel. Montagnachmittag
Zusammenkunft der Frauen; Montagabend: Männer. Dienstagnachmittag
Schuljugend. Abend: Erwachsene Jugend.«
Seit diesem
Sonntag des Jahres 1953 sammelt sich die evangelische Gemeinde in »ihrer«
Kirche. Die Friedenskirche in der Burgunderstraße wurde für die Gemeinde zu
einem wirklichen Zentrum, ja, für viele Gemeindeveranstaltungen erwiesen
sich die vorhandenen Räume im Laufe der Jahre als nicht ausreichend, sodass
nach einer längeren Phase des Beratens und Planens ein Erweiterungsbau im
Jahre 1981 vom Presbyterium beschlossen wurde. Dabei wurde jedoch darauf
geachtet, dass der eigentliche Kirchenbau weder im Aussehen noch in den
Ausmaßen verändert wurde, sondern nur die Nebenräume neu gestaltet,
erweitert und um Teeküche, Sakristei und Toiletten ergänzt wurden, und man
auch die Küsterwohnung heutigen Wohnvorstellungen anpasste. Diese sachgemäße
Entscheidung ist um so mehr zu begrüßen, weil die Friedenskirche in der Tat
in ihrer Schlichtheit ein Zeugnis der Nachkriegszeit ist, das in seinem
Grundriss aus dem Kirchenbauverständnis des 19. Jahrhunderts gestaltet
wurde, ausgeführt dagegen mit den Baumaterialien einer kargen Zeit. Auch der
Name »Friedenskirche« knüpft sehr bewußt an den von der damaligen Generation
in Ost und West so schrecklich miterlebten Krieg an und drückt so den Wunsch
und die Sehnsucht nach Frieden aus.
Wie aber kann
eine Generation später diese mit der Namensgebung ausgesprochenen Absicht
ohne lange Erklärung dem Besucher dieser Kirche vermittelt werden?
Genau diese
Fragestellung hat das Presbyterium der evangelischen Kirchengemeinde Bad
Neuenahr im Jahre 1988 beschäftigt: "Wir möchten für die Friedenskirche in
Ahrweiler ein aus sich selbst heraus sprechendes Kunstwerk, das den Namen
»Friedenskirche« erläutert«, so ist es in einer der Sitzungen formuliert
worden.
Das
Leitungsgremium der Gemeinde hat sich daraufhin mit der zur Gemeinde
gehörenden Künstlerin Friede Classen in Verbindung gesetzt. Sie entschied
sich für ein Bronzerelief, das über dem Altar rechts vom Altarkreuz
angebracht werden sollte.
Am Sonntag, dem
9. April 1989, konnte in einem Gottesdienst dieses Kunstwerk vorgestellt
werden. In den Maßen 85 cm x 80 cm stellt eine Bronzetafel ein Wort aus dem
10. Kapitel des Johannesevangeliums dar, wo Jesus sagt: »Ich bin der gute
Hirte. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe. Sie hören meine
Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir.« (Vers. 11 u. 27)
Die dargestellte
Gruppe ist in Bewegung. Hinter dem guten Hirten her gehen Männer und Frauen,
jung und alt. Sie gehen - an der Altarwand ist das unübersehbar - auf das
Kreuz zu. Der Weg der Gemeinde Jesu Christi ist der Weg der
Kreuzesnachfolge. Wo die Gemeinde der Stimme des guten Hirten folgt, ist sie
auf dem richtigen Wege, auch wenn dieser Weg womöglich von vielen nicht
verstanden wird, die von außen zusehen.
In der Gruppe der
neun dargestellten Figuren erkennt man einen Afrikaner, einen Asiaten, einen
Araber neben den europäisch ausschauenden Menschen. Hier kommt durch die
Künstlerin ein Element hinzu, dem wir uns heute in der Christenheit ganz
besonders verpflichtet fühlen, nämlich einer grenzüberschreitenden Ökumene,
die Nationalitäten und Rassenschranken in der Gemeinde des Guten Hirten
aufgehoben sieht.
Als die
Friedenskirche in Ahrweiler im Jahre 1953 fertig gestellt wurde, war sie
notwendig geworden durch die Auswirkungen des 2. Weltkrieges, der unter der
nationalsozialistischen Ideologie begonnen worden war, daß die deutsche
Herrenrasse allen anderen Völkern überlegen wäre. Aus solchem Denken konnte
nur Unfriede und Elend entstehen. Mit dem Gebäude der Friedenskirche und nun
im besonderen durch das Bronzerelief soll dauerhaft ausgesagt werden, daß
Friede da wachsen kann, wo Menschen aller Rassen sich zusammenfinden und der
Stimme des Guten Hirten folgen, von dem auch die eine Inschrift der beiden
Glocken kündet: »Er ist unser Friede.«
Quelle:
Protokollbuch des Presbyteriums der evangelischen Kirchengemeinde Bad
Neuenahr |