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Bild: Franz Ulrich
Ahrweiler Stadtführer
Nicht mehr vorhandene Gebäude/Anlagen/Wüstungen, historische Beschreibungen

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Die gleislose elektrische Eisenbahn

Neuenahr-Ahrweiler-Walporzheim
Gründung: 1905 der Elektrische gleislose Bahn Ahrweiler GmbH
Gesellschafter: Stadt Ahrweiler und Privat-Kapitalisten.
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Die Gleislose in der NiederhutInbetriebsetzung: 23. Mai 1906
Streckenlänge: 5,5 km
Außerbetriebsetzung: 1919

Unter gleislosem elektrischen Bahnbetrieb hat man sich eine Verkehrsform vorzustellen, die dadurch entsteht, dass direkt auf der Straße, also nicht auf Schienen verkehrende, lenkbare Fahrzeuge durch Elektromotoren angetrieben werden, denen der Betriebsstrom dauernd aus zwei längs und möglichst über Mitte der Straße gespannten Die Gleislose auf dem MarktplatzLeitungen zugeführt wird.

Im Herbst 1905 wurde in Ahrweiler eine GmbH. "Elektrische gleislose Bahn Ahrweiler" gegründet.
Das Stammkapital betrug 140 000 M. an der hauptsächlich die Stadt Ahrweiler beteiligt war.
Erbauer der Bahn war die Firma "Gesellschaft für Gleislose Bahnen Max Schiemann & Co. Wurzen i. Sachsen". 

Diese Bahn ist am 23.Mai 1906 in Betrieb genommen worden und für den Personenverkehr bestimmt. Die Betriebslänge der Bahn beträgt 5,3 km. Die Stromzuführungsanlage hat eine Länge von 6,1 km. Innerhalb der Umwallung der Stadt sind die Straßen mit mittelmäßigem Pflaster versehen. Die normale Breite der Straße ist 7 m, wovon 4,5 bis 5 m auf die befestigte Fahrbahn entfallen. Die doppelpolige Fahrleitung liegt in 5,5 m Höhe meist über der Straßenmitte und wird auf freier Strecke von einer Reihe Gittermasten mit Auslegern getragen. Die Stromabnahme geschieht durch von unten andrückende steife Stangen, welche auf dem Wagendach gefedert und nach allen Seiten drehbar gelagert sind. Die Kontaktstangen besitzen eine Länge von 5,5 m und gestatten den Fahrzeugen 3 m von der Achse der Leitung nach jeder Seite auszuweichen. Hierdurch ist es möglich, ein Ausweichen und Überholen anderer Fahrzeuge zu bewerkstelligen.

Der Betriebsstrom von 550 V Spannung wird aus dem Elektrizitätswerk des Sanatoriums von Ehrenwall in Ahrweiler geliefert. Die dafür zu treffenden Einrichtungen bestanden aus einer Dynamomaschine von 27 KW Leistung, die von der vorhandenen Transmission angetrieben wird, einer Pufferbatterie von 38 KW Kapazität und einer Schaltanlage mit selbsttätigen Ausschaltern und Elektrizitätszählern. Diese Einrichtungen hat der Besitzer des Sanatoriums Dr. von Ehrenwall auf eigene Kosten geschaffen, und er gibt den Strom an die Bahn zum festen Preis von 13 Pfg. für die Kilowattstunde ab.

An Betriebsmitteln sind vorhanden: 3 Triebwagen und 2 Anhängerwagen. Die Triebwagen haben einen Fassungsraum von 20 Personen, und zwar sind 14 Sitzplätze auf federgepolsterten Längsbänken im Innern des Wagenkastens, 4 Sitzplätze und 2 Stehplätze auf dem geschlossenen Vorderperron. Der Einstieg ist vorne auf der rechten Wagenseite angeordnet. Die Scheiben des Wagenkastens sind nicht herablaßbar, dagegen wird für reichliche Lüftung durch eine allseitig mit Drehfenstern versehene Laterne gesorgt. Die Fahrgäste gelangen durch eine zweiteilige Schiebetür in das Wageninnere und müssen beim Wagenführer vorüber, der auf einem im etwas höher gelegenen Vorderperron auf dem Drehschemel sitzt.

Die Ausstattung der Wagen ist sehr reich: Fenster- und Türrahmen echt Mahagoni, doppelte Decke, lederüberzogene Polster, Beleuchtung durch 10 Glühlampen, von denen 4 auf die zwei vorhandenen Scheinwerfer entfallen. Der in modernen Formen gehaltene und gemalte Wagenkasten ruht auf gekröpften Längsträgern aus gepresstem Stahlblech. Die Hinterachse trägt diesen Rahmen mit langen Blattfedern und ist tief gekröpft, um die Einstieghöhe niedrig zu halten.

Antrieb und Lenkung sind in das Vordergestell verlegt. Ein Elektromotor von 15 PS gewöhnlicher und 22 PS Höchstleistung treibt mittels Zahnradgetriebe 8:1 die hohlgeschnittene Laufachse an. Der Motor verleiht dem Wagen auf ebener Straße eine Fahrgeschwindigkeit bis 22 km/Std. die auch landespolizeilich genehmigt worden ist. Die Vorderräder haben 859 mm Durchmesser und Vollgummibereifung von 150 mm Breite. Die Hinterräder haben eiserne Bereifung von 80 mm Breite und den großen Durchmesser von 1,5 m.
Die Spurweite ist hinten größer als vorn und die Radspuren ergänzen sich zur Schonung der Straße zur gemeinsamen Breite von 22 cm. Die Lenkung ist eine gesperrte und erfolgt durch Planetengetriebe von 25:1 Übersetzung mittels Zahnrads auf den Lenkkranz. Es stehen zwei mechanische Bremsen und die Kurzschlussbremsung des Motors zur Verfügung.

Die Bedienung des Wagen erfolgt vom Führersitz aus: in der Mitte das Lenkrad, rechts die Bremsen, links Fahrschalter, Starkstromautomat und Lichtschalter, ferner ist ein Wattstundenzähler auf jedem Wagen vorhanden. Die allseitig drehbaren Kontaktschuhe werden mittels Holzstangen an die Fahrleitung angedrückt, die dazugehörigen Federböcke sitzen vorn auf dem Wagendach. Durch sorgfältige Durchbildung und Verwendung hochwertiger Baustoffe wurde das Eigengewicht gegen älteren Ausführungen, herabgesetzt. Ein Triebwagen in Ahrweiler wiegt nur noch 3240 kg. Die Länge eines Betriebswagens beträgt 5,8 m, die Höhe etwa 3 m, die Breite des Wagenkastens 1,68 m, der Radstand 3,4 m.

Die Anhängewagen fassen ebenfalls 20 Personen auf drei Querbänken, einer hinteren hufeisenförmigen Bank mit aufgelegten Lederpolstern und zwei vorderen Sitzen, von denen einer für den Schaffner bestimmt ist. Die Wagen sind halboffen mit Holzdach versehen. Zum Schutz gegen Wetter und Staub sind vorn und um die hintere hufeisenförmige Bank Glaswände angebracht; die Seitenöffnungen können mit Segeltuchvorhängen geschlossen werden.

Elektrische Beleuchtung und Klingel werden mit Kontaktschnüren an den Triebwagen angestöpselt. Das Vordergestell hat Meterspur und federnde Kupplungsdeichsel. Die Räder der Anhängewagen sind mit eisernen Reifen geliefert, jedoch später mit Vollgummireifen von 100 mm Breite versehen worden. Das Eigengewicht eines Anhängewagens beträgt 1649 kg, die Länge 5,o m, die Höhe etwa 2,6 m, der Radabstand 3,4 m.

Die Wagenhalle liegt nahe dem Endpunkt der Linie in Walporzheim, wo die Wagen fahrplanmäßig ihre Fahrten beginnen und abends beenden. Sie ist massiv gebaut mit drei Einfahrten,17,5 m lang, 11 breit und enthält außer den Wagenstandplätzen einen abgeschlossenen Büroraum, eine Werkstatt sowie zwei kleine Revisionsgruben zur Motoruntersuchung.

Das Personal besteht aus einem Betriebsleiter, der gleichzeitig den Dienst als Werkmeister und Kontrolleur versieht, 3 Wagenführern, 3 Schaffnern und 1 Reparaturschlosser. Die Aufsicht führt Herr Stadtrat Kreuzberg von Ahrweiler im Ehrenamt.

Mit zwei Triebwagen nebst Anhängewagen in den Hauptverkehrszeiten wurde in den Sommermonaten ein regelmäßiger Fahrplan mit 40-minutlicher Wagenfolge durchgeführt; der dritte Triebwagen soll zur Reserve dienen, konnte aber an verkehrsreichen Tagen ebenfalls in Dienst gestellt werden. Die Fahrzeit auf der 5,3 km langen Strecke beträgt 30-35 Minuten, der Fahrpreis 30 Pf.

Einer durchschnittlichen Einnahme von 35 Pf. für den Wagenkilometer stehen reine Betriebsausgaben von 28,5 Pf. gegenüber. Unter Berücksichtigung von Abschreibungen verbleibt immer noch ein Überschuss von 1,5 Pf. für den Wagenkilometer. Auffallend ist der geringe Stromverbrauch von 357 Wattstunden für den Wagenkilometer.

Die Abrechnung für die Zeit vom 23.Mai bis 1.Okt.1906 hatte folgendes Ergebnis: 88000 beförderte Personen; Einnahme 15315 M; geleistete Wagenkilometer der Triebwagen 34813; geleistete Wagenkilometer der Anhängewagen 18136; Stromverbrauch in der Kraftstation 14536 KW Std.

Der Sommerfahrplan für 1907: ab Walporzheim von 5.50 Uhr ab bis 10.00 Uhr (abends) - insgesamt 25 Fahrten. Haltestellen: ab Walporzheim Bahnhof - Dr. von Ehrenwall - Markt Ahrweiler - Niedertor Ahrweiler - Bahnhof Ahrweiler - Telegraphenstraße - Neuenahr Bahnhof.

Im Ahrtal sind die Straßen im allgemeinen etwas besser und auch die Wagen viel leichter, so dass eine schädliche Einwirkung des Betriebes auf den Straßenzustand nicht zu befürchten ist.

Dennoch wurde eine weitere Festigung (Asphalt) und Ebnung der Straßenoberfläche vorgenommen. Erreicht wurde somit eine Dämpfung des Geräusches der rollenden Räder und auch die Staubentwicklung ist erheblich gemindert worden.

Die Weltkriegsblockade erschwerte die Beschaffung neuer Gummibereifungen. Die "Gleislose" fuhr darum in den letzten Kriegsjahren täglich nur noch zweimal und schließlich gar nicht mehr.

Im Jahre 1919 liquidierte das Unternehmen. Zuvor hatte die Stadt alle Anteile übernommen.

Literatur: Ahrweiler Nachrichten = 
1949-7 Die "gleislose Elektrische"; 
1989-45 Das kurze Leben des liebenswerten "Elektrosauriers" 46,47,48,49,50,51; 
1990: 1,4,5,6,9; 1989-27,29 Gleislose Eisenbahn - Depot Walporzheim.

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Stand: 22.12.13

 

 

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