Unter gleislosem elektrischen Bahnbetrieb hat man sich eine Verkehrsform
vorzustellen, die dadurch entsteht, dass direkt auf der Straße, also
nicht auf Schienen verkehrende, lenkbare Fahrzeuge
durch Elektromotoren angetrieben werden, denen der Betriebsstrom dauernd
aus zwei längs und möglichst über Mitte der Straße gespannten
Leitungen zugeführt wird.
Im Herbst 1905
wurde in Ahrweiler eine GmbH. "Elektrische gleislose Bahn
Ahrweiler" gegründet.
Das Stammkapital betrug 140 000 M. an der
hauptsächlich die Stadt Ahrweiler beteiligt war.
Erbauer der Bahn war die Firma
"Gesellschaft für Gleislose Bahnen Max Schiemann & Co. Wurzen
i. Sachsen".
Diese Bahn ist am 23.Mai 1906 in Betrieb genommen worden
und für den Personenverkehr bestimmt. Die Betriebslänge der Bahn
beträgt 5,3 km. Die Stromzuführungsanlage hat eine Länge von 6,1 km.
Innerhalb der Umwallung der Stadt sind die Straßen mit mittelmäßigem
Pflaster versehen. Die normale Breite der Straße ist 7 m, wovon 4,5 bis 5
m auf die befestigte Fahrbahn entfallen. Die doppelpolige Fahrleitung liegt
in 5,5 m Höhe meist über der Straßenmitte und wird auf freier Strecke
von einer Reihe Gittermasten mit Auslegern getragen. Die Stromabnahme
geschieht durch von unten andrückende steife Stangen, welche auf dem
Wagendach gefedert und nach allen Seiten drehbar gelagert sind. Die
Kontaktstangen besitzen eine Länge von 5,5 m und gestatten den Fahrzeugen
3 m von der Achse der Leitung nach jeder Seite auszuweichen. Hierdurch ist
es möglich, ein Ausweichen und Überholen anderer Fahrzeuge zu
bewerkstelligen.
Der Betriebsstrom
von 550 V Spannung wird aus dem Elektrizitätswerk des Sanatoriums von
Ehrenwall in Ahrweiler geliefert. Die dafür zu treffenden Einrichtungen
bestanden aus einer Dynamomaschine von 27 KW Leistung, die von der
vorhandenen Transmission angetrieben wird, einer Pufferbatterie von 38 KW
Kapazität und einer Schaltanlage mit selbsttätigen Ausschaltern und
Elektrizitätszählern. Diese Einrichtungen
hat der Besitzer des Sanatoriums Dr. von Ehrenwall auf eigene Kosten
geschaffen, und er gibt den Strom an die Bahn zum festen Preis von 13 Pfg.
für die Kilowattstunde ab.
An Betriebsmitteln
sind vorhanden: 3 Triebwagen und 2 Anhängerwagen. Die Triebwagen haben
einen Fassungsraum von 20 Personen, und zwar sind 14 Sitzplätze auf
federgepolsterten Längsbänken im Innern des Wagenkastens, 4 Sitzplätze
und 2 Stehplätze auf dem geschlossenen Vorderperron. Der Einstieg ist
vorne auf der rechten Wagenseite angeordnet. Die Scheiben des Wagenkastens
sind nicht herablaßbar, dagegen wird für reichliche Lüftung durch eine
allseitig mit Drehfenstern versehene Laterne gesorgt. Die Fahrgäste
gelangen durch eine zweiteilige Schiebetür in das Wageninnere und müssen
beim Wagenführer vorüber, der auf einem im etwas höher gelegenen
Vorderperron auf dem Drehschemel sitzt.
Die Ausstattung der
Wagen ist sehr reich: Fenster- und Türrahmen echt Mahagoni, doppelte
Decke, lederüberzogene Polster, Beleuchtung durch 10 Glühlampen, von
denen 4 auf die zwei vorhandenen Scheinwerfer entfallen. Der in modernen
Formen gehaltene und gemalte Wagenkasten ruht auf gekröpften
Längsträgern aus gepresstem Stahlblech. Die Hinterachse trägt diesen
Rahmen mit langen Blattfedern und ist tief gekröpft, um die Einstieghöhe
niedrig zu halten.
Antrieb und Lenkung
sind in das Vordergestell verlegt. Ein Elektromotor von 15 PS
gewöhnlicher und 22 PS Höchstleistung treibt mittels Zahnradgetriebe 8:1
die hohlgeschnittene Laufachse an. Der Motor verleiht dem Wagen auf ebener
Straße eine Fahrgeschwindigkeit bis 22 km/Std. die auch landespolizeilich
genehmigt worden ist. Die Vorderräder haben 859 mm Durchmesser und
Vollgummibereifung von 150 mm Breite. Die Hinterräder haben eiserne
Bereifung von 80 mm Breite und den großen Durchmesser von 1,5 m.
Die Spurweite ist
hinten größer als vorn und die Radspuren ergänzen sich zur Schonung der
Straße zur gemeinsamen Breite von 22 cm. Die Lenkung ist eine gesperrte
und erfolgt durch Planetengetriebe von 25:1 Übersetzung mittels Zahnrads
auf den Lenkkranz. Es stehen zwei
mechanische Bremsen und die Kurzschlussbremsung des Motors zur Verfügung.
Die Bedienung des
Wagen erfolgt vom Führersitz aus: in der Mitte das Lenkrad, rechts die
Bremsen, links Fahrschalter, Starkstromautomat und Lichtschalter, ferner
ist ein Wattstundenzähler auf jedem Wagen vorhanden. Die allseitig
drehbaren Kontaktschuhe werden mittels Holzstangen an die Fahrleitung
angedrückt, die dazugehörigen Federböcke sitzen vorn auf dem Wagendach.
Durch sorgfältige Durchbildung und Verwendung hochwertiger Baustoffe
wurde das Eigengewicht gegen älteren Ausführungen, herabgesetzt. Ein
Triebwagen in Ahrweiler wiegt nur noch 3240 kg. Die Länge eines
Betriebswagens beträgt 5,8 m, die Höhe etwa 3 m, die Breite des
Wagenkastens 1,68 m, der Radstand 3,4 m.
Die Anhängewagen
fassen ebenfalls 20 Personen auf drei Querbänken, einer hinteren
hufeisenförmigen Bank mit aufgelegten Lederpolstern und zwei vorderen
Sitzen, von denen einer für den Schaffner bestimmt ist. Die Wagen sind
halboffen mit Holzdach versehen. Zum Schutz gegen Wetter und Staub sind
vorn und um die hintere hufeisenförmige Bank Glaswände angebracht; die
Seitenöffnungen können mit Segeltuchvorhängen geschlossen werden.
Elektrische
Beleuchtung und Klingel werden mit Kontaktschnüren an den Triebwagen
angestöpselt. Das Vordergestell hat Meterspur und federnde
Kupplungsdeichsel. Die Räder der Anhängewagen sind mit eisernen Reifen
geliefert, jedoch später mit Vollgummireifen von 100 mm Breite versehen
worden. Das Eigengewicht eines Anhängewagens beträgt 1649 kg, die Länge
5,o m, die Höhe etwa 2,6 m, der Radabstand 3,4 m.
Die Wagenhalle liegt
nahe dem Endpunkt der Linie in Walporzheim, wo die Wagen fahrplanmäßig
ihre Fahrten beginnen und abends beenden. Sie ist massiv gebaut mit drei
Einfahrten,17,5 m lang, 11 breit und enthält außer den
Wagenstandplätzen einen abgeschlossenen Büroraum, eine Werkstatt sowie
zwei kleine Revisionsgruben zur Motoruntersuchung.
Das Personal besteht
aus einem Betriebsleiter, der gleichzeitig den Dienst als Werkmeister und
Kontrolleur versieht, 3 Wagenführern, 3 Schaffnern und 1
Reparaturschlosser. Die Aufsicht führt Herr Stadtrat Kreuzberg von
Ahrweiler im Ehrenamt.
Mit zwei Triebwagen
nebst Anhängewagen in den Hauptverkehrszeiten wurde in den Sommermonaten
ein regelmäßiger Fahrplan mit 40-minutlicher Wagenfolge durchgeführt;
der dritte Triebwagen soll zur Reserve dienen, konnte aber an
verkehrsreichen Tagen ebenfalls in Dienst gestellt werden. Die Fahrzeit
auf der 5,3 km langen Strecke beträgt 30-35 Minuten, der Fahrpreis 30 Pf.
Einer
durchschnittlichen Einnahme von 35 Pf. für den Wagenkilometer stehen reine
Betriebsausgaben von 28,5 Pf. gegenüber. Unter Berücksichtigung von
Abschreibungen verbleibt immer noch ein Überschuss von 1,5 Pf. für den
Wagenkilometer. Auffallend ist der geringe Stromverbrauch von 357
Wattstunden für den Wagenkilometer.
Die Abrechnung für
die Zeit vom 23.Mai bis 1.Okt.1906 hatte folgendes Ergebnis: 88000
beförderte Personen; Einnahme 15315 M; geleistete Wagenkilometer der
Triebwagen 34813; geleistete Wagenkilometer der Anhängewagen 18136;
Stromverbrauch in der Kraftstation 14536 KW Std.
Der Sommerfahrplan
für 1907: ab Walporzheim von 5.50 Uhr ab bis 10.00 Uhr (abends) -
insgesamt 25 Fahrten. Haltestellen: ab Walporzheim Bahnhof - Dr. von
Ehrenwall - Markt Ahrweiler - Niedertor Ahrweiler - Bahnhof Ahrweiler -
Telegraphenstraße - Neuenahr Bahnhof.
Im Ahrtal sind die
Straßen im allgemeinen etwas besser und auch die Wagen viel leichter, so
dass eine schädliche Einwirkung des Betriebes auf den Straßenzustand
nicht zu befürchten ist.
Dennoch wurde eine
weitere Festigung (Asphalt) und Ebnung der Straßenoberfläche
vorgenommen. Erreicht wurde somit eine Dämpfung des Geräusches der
rollenden Räder und auch die Staubentwicklung ist erheblich gemindert
worden.
Die
Weltkriegsblockade erschwerte die Beschaffung neuer Gummibereifungen. Die
"Gleislose" fuhr darum in den letzten Kriegsjahren täglich nur
noch zweimal und schließlich gar nicht mehr.
Im Jahre 1919
liquidierte das Unternehmen. Zuvor hatte die Stadt alle Anteile
übernommen.
Literatur: Ahrweiler
Nachrichten =
1949-7 Die "gleislose Elektrische";
1989-45 Das
kurze Leben des liebenswerten "Elektrosauriers"
46,47,48,49,50,51;
1990: 1,4,5,6,9; 1989-27,29 Gleislose Eisenbahn - Depot
Walporzheim.